Überführungstörn der Barkentine "Antigua" von Lissabon nach Hamburg

21. April bis 6. Mai 2003

- Reisebericht von Herbert Klyszcz -

Vorbemerkung

Am 21.4.2003 trudelten nach und nach die neuen Trainees, d.h. auf der Antigua die "Deckhands", in Lissabon ein und erlebten gleich am Flughafen die erste Überraschung. Lt. Informationsstand soll eine Taxifahrt ca. 12 € bis zum Hafen Alcantara kosten. Tatsächlich mussten aber Preise von 25 bis 36 € bezahlt werden - und das, obwohl kaum einer direkt zum Schiff gebracht wurde. Die Taxifahrer haben die Ahnungslosigkeit der Ausländer schamlos ausgenutzt. Nicht gerade fremdenverkehrsfreundlich.

Hauptbericht

Lissabon, Ausgangshafen für den Überführungstörn nach Hamburg, der uns zunächst entlang der Küste nach La Coruña, dann durch die Biscaya bis nach Cherbourg, weiter nach Den Helder und schließlich nach Cuxhaven führte, bevor wir am letzten Tag mit auflaufendem Wasser das Ziel in Hamburg erreichten. Zwei Wochen, die uns alle Höhen und Tiefen eines Segeltörns bescherten. Sonne und Regen, Flaute und Sturm, Badewanne und mächtige Wellen. Schön anzusehende volle Segel aber auch Fetzen, die ein Sturm bzw. eine Bö hinterlassen hat.

Aber nun der Reihe nach.
Wir hatten in Lissabon einen Tag, den wir zur Stadtbesichtigung nutzen konnten. Auch die Fahrt mit der Fähre über den Tejo zu einem der vielen guten Fischrestaurants war lohnenswert. So angefüllt mit schönen Bildern bzw. vollen Mägen legten wir am Doca de Alcantara ab. Schnell über den Tejo, bei Shell den Tank für die lange Reise gut gefüllt und dann langsam auf das offene Meer hinaus. Wir merkten schnell, dass der Atlantik mit voller Kraft am Ende eines langen Weges die Wellen gegen die Küste drückte. So mancher erahnte, was uns wohl in den nächsten zwei Wochen noch bevorstand. Schnell waren fast alle Segel gesetzt, um zusammen mit der Maschine möglichst schnelle Fahrt zu machen. Der Ankunftstermin in Hamburg musste eingehalten werden und so wollten wir in den ersten Tagen etwas Reserve herausholen. Eine weise Wahl, wie sich bald herausstellte.

Erstaunlich war nach bisherigen Erfahrungen, dass die ersten zwei Tage zwischen Lissabon und La Coruña "nur" zwei Mitsegler Probleme mit ihrem Magen und Wohlbefinden hatten. Bei dem Wellengang und Wind erstaunlich. Vielleicht lag es auch daran, dass August, unser Koch, immer für viel frisches Obst sorgte und bekanntlich ein voller Magen nicht seekrank wird. Apropos August. Das war schon ein Phänomen. Er schaffte es bei jedem Wetter. Uns rutschten noch die kleinsten Mengen vom Teller, doch August konnte selbst in horizontaler Haltung kochen.

Nachdem wir La Coruña erreicht hatten, konnten wir wieder unsere Glieder in aufrechtem Gang testen. Es dauerte etwas. La Coruña, eine schöne, typisch spanische Stadt. Sehr belebt, tolle Fischrestaurants. Es machte Freude durch die Altstadt zu bummeln und dem Treiben zuzusehen. In manchen Läden hingen die geräucherten Schinken dicht an dicht in den Verkaufsräumen von der Decke herab und ein Duft, dass einem das Wasser im Munde zusammenlief, zog in die Nase. Ich fand einige dieser Köstlichkeiten später wieder auf dem Schiff vor. Offenbar konnten auch meine Mitsegler nicht widerstehen.

Nach La Coruña stand uns nun die nächste Strecke bevor. Durch die berühmt-berüchtigte Biscaya. Was ranken sich da alles für Geschichten und so mancher Seebär kann da einiges erzählen. Werden wir die Biscaya ruhig durchsegeln oder macht uns der Klabautermann Scherereien? Freitag Nachmittag legten wir in La Coruña ab. See und Wind waren mäßig bewegt. Nichts deutete darauf hin, dass uns in den nächsten Stunden Ungemach bevorstand. Die regelmäßigen Wettermeldungen verkündeten Wind aus Südwest mit Stärke 5-6, genau das, was wir brauchten.

Als wir am Abend die 8-Uhr-Wache übernahmen, hatten wir nur achtern eine dunkle Wand, die sich im Laufe des Abends wieder auflöste oder in eine andere Richtung abzog. Bei klarem Himmel mit funkelnden Sternen und mäßig bewegter See übergaben wir um Mitternacht die Wache und legten uns beruhigt in die Kojen. Irgendwann so gegen 03:00 Uhr wurden wir wach. Das Schiff bewegte sich stärker als bisher gewohnt und fing an zu krängen. Mehr und mehr legte es sich nach Steuerbord und wir hatten auf der Backbordseite Mühe, uns in den Kojen festzukeilen, um nicht rauszufallen. Wir merkten schnell, dass uns wohl ein steifer Wind und eine raue See ereilt hatte. Im Schiff wurden Stimmen laut. Überall zunächst Unruhe, dennoch nirgendwo ein Hauch von Panik. Wir wussten, dass wir auf einem guten Schiff sind und wenn die Luken geschlossen werden reiten wir jeden Sturm ab. Das gehört einfach zu einem richtigen Segeltörn dazu. Kennen wir nicht alle die alten Filme von den Bezwingern von Kap Horn? Was kann uns da die Biscaya antun?

Nachdem unser Schiff schätzungsweise 45° Neigung erreicht hatte, gab es einen ohrenbetäubenden Krach und in Sekundenschnelle waren wir von Steuerbord nach Backbord umgeschlagen. Danach wurden der Wind und das Meer ruhiger. Was war geschehen? Wir wurden zunächst von aufkommenden Wind immer mehr nach Steuerbord gelegt bis uns eine Bö erwischte, die so in die Segel fiel, dass das Schiff aus dem Ruder lief, dabei halste und sich auf die andere Seite legte. Allerdings sind in diesen Sekunden 7 Segel beschädigt oder teilweise in Fetzen zerrissen worden. Erst am nächsten Morgen konnten wir das gesamte Ausmaß erkennen. Die Takelage sah aus wie eine Vogelscheuche. Fetzen hingen zwischen den Masten oder flatterten mit den letzten Zipfeln im Wind. Unter Deck war nichts mehr am gewohnten Platz. Alles was nicht festgezurrt war, lag verstreut herum. Alle hatten zu tun, das Schiff so schnell wie möglich aufzuklaren. Nun waren wir auf jeden Fall auf den Motor angewiesen, da mit den restlichen der insgesamt 15 Segel kein großer Staat mehr zu machen war.

Auch die nächsten Tage war die Biscaya alles andere als eine Badewanne. Das ist der Tribut, wenn man im April unterwegs ist. Trotzdem hatten wir keine Seekranken zu beklagen. Alle schienen sich wohl zu fühlen.

Nachdem wir die Biscaya hinter uns gelassen hatten, wurde es merklich ruhiger. Wir hatten den Eingang zum Kanal erreicht und legten in Cherbourg an. Dort hatten wir nicht nur Gelegenheit die Kneipen unsicher zu machen, sondern konnten auch das hochinteressante Marinemuseum mit dem stillgelegten Atom-U-Boot besichtigen.

Weiter ging es nach Den Helder, durch den Kanal und vorbei an dem im letzten Jahr untergegangenen Autotransporter. Hier mussten wir der Segel wegen etwas länger pausieren. Ein Glück, dass wir am Anfang des Törns etwas Zeit gut gemacht hatten.

Durch die 2 Liegetage konnten wir uns für einen vollen Tag nach Amsterdam absetzen. Einige nutzten die Zeit für einen Besuch der Insel Texel, um diese mit dem Fahrrad zu umrunden oder aber das Marinemuseum und das Rammschiff in Den Helder in Augenschein zu nehmen. Dass "zufällig" solche Wege an passenden Kneipen vorbeiführen, versteht sich von selbst.

Mit ein paar Segeln mehr liefen wir wieder aus an den west- und ostfriesischen Inseln vorbei und gingen in Cuxhaven noch einmal an Land.

Am Abend war Captains-Dinner angesagt. Unsere Mädchen Gabi, Susanne und Andrea gaben sich alle Mühe, die Tische schön einzudecken. August machte sich mit Sombrero und Schürze hübsch. Oliver, unser Kapitän, lobte unsere Crew, bevor es mit dem Cocktail begann und danach vom delikaten Vorspeisenteller bis zum Mousse au Chocolat weiterging. Je später der Abend, je lauter die Crew; so jedenfalls müssen Außenstehende uns gesehen haben, nachdem auf und unter Deck das große seemännische Konzert begann und alle zu der von Bernd (Harmeyer) gespielten Klampfe ihre Lieder anstimmten.

Als Resümee bleibt bei mir, es war insgesamt ein schöner Törn, auch wenn ich jene Nacht in der Biscaya nicht unbedingt wiederholen möchte. Nun, wir hatten auch einen Mitsegler, der das erste Mal auf einem Segelschiff war und sein Lebtag ein solches nicht mehr betreten will. Doch wer weiß? Vielleicht wird er mit etwas zeitlichem Abstand auch vom Segelvirus erfasst und ich sehe ihn auf einem der nächsten Reisen wieder an Bord.

Auszug aus unserem Logbuch
Dienstag 22.4., 13:00 Ablegen Lissabon, Doca de Alcantara
Donnerstag 24.4., 16:45 Festgemacht La Coruña, Trans Atlantico Sur
Samstag 26.4., 04:00 Segel zerfetzt (Steifer Wind, Bö)
Montag 28.4., 19:35 Festgemacht Cherbourg, Quai de France
Donnerstag 1.5., 13:15 Festgemacht Den Helder, Koopvaarderhafen
Sonntag 4.5., 17:05 Festgemacht in Cuxhaven, Vorhafen, Helgoländerkai
Montag 5.5., 18:50 Festgemacht, Hamburg-Harburg, Überwinterungshafen

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