Segeltörn rund um Rügen auf der Royal Classic Brigg Aphrodite

16.-20. September 2009

- Reisebericht von Claudia Tietze und Michael Treichel -

Tag 0

Tja, wie es das Leben so will, sind wir freiwillig unfreiwillig zu diesem allerersten Törn gelangt: Unsere Freunde Harald und Susanne, schon seit einigen Jahren begeisterte Windjammersegler, boten meinem Mann Michael und mir die letzte von insgesamt acht Doppelkabinen auf der Aphrodite an. Es sollte fünf Tage rund um Rügen gehen. Wir dachten, warum nicht, ist mal was Neues.

Wir vier reisten bereits etwas früher an, um Ozeaneum und Brauerei im Speziellen und Stralsund im Allgemeinen zu erkunden. Mit den anderen 12 Mitseglern, allesamt Windjammerfreunde aus München, Maintal und Berlin, trafen wir uns am Vorabend des Törns in der gemütlichen Hafenkneipe "Klabautermann", um dann gemeinsam an Bord zu gehen.

Mehr zur Aphrodite hier.

Tag 1: Stralsund – Lauterbach (Rügen)

Es hieß früh aufstehen am ersten Tag, da die Hubbrücke über den Strelasund nur viermal pro Tag öffnet, um den IC-Verkehr nach Rügen nicht zu beeinträchtigen. Also mussten wir pünktlich aufbrechen, um 8:20 Uhr die Brückenöffnung nicht zu verpassen.

Was "Leinen los" bedeutet, hat seitdem für mich eine andere Bedeutung: Dachte ich bis dahin, es dreht sich nur um die Trossen zum Festmachen, so lernte ich Geitaue, Gordinge, Schoten, Hälse und Falle kennen. Und zwar jeweils für alle 18 Segel! Insgesamt 148 Leinen – ein Chaos - für den Anfänger... Gott sei Dank sind nicht immer alle betroffen, aber es ist ein ständiges Ratespiel, welche denn nun für welches Segel sind. Soviel zur Theorie.

Die Sonne scheint großartig, der Wind ist mäßig, aber ausreichend, die See ruhig. So segeln wir gemütlich ins schöne Lauterbach nach Rügen.

Unsere Münchner Windjammerfreundin Hildegard hatte gleich am ersten Tag das maritime Pendant zum “Fly by Wire” entdeckt: Ein metallenes Tablett an den Kompass gehalten (es war noch lecker Kuchen drauf!) – und der Autopilot spielte verrückt. Ab da nennen wir es “Navigating by Platter”.

Tag 2: Lauterbach – (beinahe) Wolgast

Ein "steifer" Nordwind, Stärke 2, treibt uns heute mit strammen zweieinhalb Knoten gen Süden nach Peenemünde. Unser Ziel ist Wolgast. Eigentlich möchten wir ja nach Norden, aber damit müssen wir uns noch einen Tag gedulden - erst morgen ist Ostwind angesagt. Morgens Segel setzen, zweimal Brassen, abends die Segel einholen: das war unser Arbeitstag. Es gab also viel Zeit fürs Knotenüben, Lesen und Plaudern.

In Wolgast ereilt uns das Flussschifferschicksal in Gestalt einer klemmenden Hubbrücke. In den Hafen kommen wir nicht. So machen wir erst einmal an den Dalben fest und warten entweder auf ein Wunder oder einen fähigen Techniker. Unser holländischer Kapitän versteht die Welt nicht mehr. Eine Reparatur gelingt an dem Abend nicht mehr, die Nacht verbringt die Aphrodite in einer Werft kurz vor der Brücke. Der Chef hat uns großzügigerweise einen Liegeplatz zur Verfügung gestellt.

Tag 3: "Wolgast" - Sassnitz (Rügen)

Da wir uns nun nicht an die “Brückenöffnungszeiten” halten mussten, sind wir gemütlich um halb zehn in Wolgast gestartet. Heute gab es am Vormittag nun überhaupt keinen Wind, dafür wieder jede Menge Sonne. Erst mal mit Motor aus der Peene raus, dann Segel gesetzt, Mittags nochmal nachgebrasst und danach extreme-relaxing. Vor Sellin frischte der Wind auf und nun kam endlich das lang ersehnte pure Segelfeeling auf: Die Aphrodite glitt geschmeidig über die Ostsee.

Ich habe inzwischen aufgegeben herauszufinden, welches Tau zu welchem der 18 Segel gehört, und bin schon froh, wenn ich die verschiedenen Leinenarten auseinander halten kann.

Von Seekrankheit sind wir mangels Wellengang bislang verschont.

Klaus, unser Smut, versorgt uns bestens: Neben Frühstück und Nachmittagskuchen bekommen wir 2 x üppiges warmes Essen, das für hart arbeitende Seeleute gemacht ist – ich fühle ich langsam wie ein Walfisch, kann aber nicht widerstehen und trage nur noch die Hose mit dem Gummizug.

In Sassnitz angekommen, besucht ein Teil von uns erst einmal die Ostseekaffeerösterei, die zwischenzeitlich nach Sellin umgezogen ist. Schade. Es gibt zwar noch Kaffee, aber keinen Blick mehr auf das Rösten.

Morgen geht es auf nach Hiddensee. Der Wetterbericht verspricht mal richtiges Segelwetter: Ordentlich Wind. Ahoi.

Tag 4: Sassnitz – Kloster (Hiddensee)

Heute hatten wir einen stetigen Südost, der uns zügig von Sassnitz, um den Königsstuhl herum, vorbei an Kap Arkona nach Kloster auf Hiddensee trug. Wir gehören jetzt zum exklusiven Klub der Kap-Arkonier! Der eine oder andere hatte heute Morgen bei leichtem Seegang zwar erste Anwandlungen von Seekrankheit, aber das ist schnell vergangen, denn heute war wirklich gut zu tun. Oder besser gesagt: man gab uns gut zu tun, denn sechs Knoten waren dem Käptn nicht genug. Es wurde mit uhrmacherähnlicher Präzision gebrasst, um unserem Wind das Äußerste abzutrotzen. Und wir haben es geschafft: die Sieben-Knoten-Marke wurde souverän genommen! Ein Großsegler, der sich deutlich nach Steuerbord neigt: das zeigt, welche Kräfte hier am Werk sind.

Im Hafen gab es dann ein nettes Intermezzo: Unser Liegeplatz war von einer Yacht besetzt. Erst die Ankündigung, dass wir längsseits an ihr festmachen werden, hat den Skipper überzeugt, es doch lieber umzukehren: wir am Kai und die Yacht außen. Zum krönenden Abschluss erwartete uns am Weststrand von Hiddensee ein traumhafter Sonnenuntergang, gebührend begossen mit einem Schluck “Klabautermann”.

Tag 5: Kloster – Stralsund

Strahlendes Spätsommerwetter, aber null Wind. Kurzentschlossen verschieben wir unsere Ablegezeit auf 11:00 Uhr und nutzen die gewonnenen Stunden für einen ausgiebigen Spaziergang durch das wunderschöne, nachsaisonal friedliche Hiddensee. Das völlige Fehlen von Autos ist wirklich ein Genuss.

Um Punkt 11:00 Uhr, bevor wir der Fähre in die Quere kommen (oder sie uns), legen wir ab. Mit Motor und minimalstem Segel geht es auf den Heimweg nach Stralsund. Zwischendurch nutzen wir die Ruhe zu einer Feuerübung mit Schwimmwesten und lassen das Schlauchboot, für ausgiebige Film- und Fotoaufnahmen rund um das Schiff, zu Wasser. Die Ostsee ist glatt wie ein Kinderpopo. Ansonsten bleibt wieder viel Zeit für Nichtstun.

Mit untergehender Sonne laufen wir in Stralsund ein. Ein wunderschöner Törn, der Lust auf mehr macht, endet mit einem Kapitänsdinner. Ein letztes Mal schlafen wir an Bord.

Stralsund

Um zehn Uhr sind wir ganz offiziell von Bord gegangen. Der Abschied von Aent, Ellen, Bootsmann Arne und Smut Klaus war weniger offiziell, sondern sehr herzlich. Die vier haben einen großen Anteil daran, dass die letzten Tage so gelungen waren.

Tagsüber geht jeder seinen Interessen nach. Michael und ich fahren nach Greifswald, Harald und Susanne schauen sich das Meeresmuseum an, der Rest der Truppe vergnügt sich u. a. im Ozeaneum.

Abends treffen wir uns alle noch einmal zum Abendessen und stürzen mit Aent in Hannis Hafenkneipe "Zur Fähre" mit deutschen Schlagern kräftig ab.

München

Wieder daheim, blicken wir auf wunderschöne 5 Tage auf See zurück. Wir haben trotz der Kürze der Zeit eine Menge gelernt, eine neue Welt hat sich uns eröffnet.

Es hätte uns auch mit der Aphrodite nicht besser treffen können: Aufgrund ihrer Größe hat man klassisches Windjammerfeeling und trotzdem Gelegenheit, bei wirklich allen Manövern selbst Hand anzulegen. Unendlich auch die Geduld von Bootsmann Arne und unserem Skipper Aent. Zwar sind wir mit der Belegung aller Leinen noch nicht vertraut, aber ca. 1/4 haben wir im Kopf, ein weiteres Viertel können wir mit “Blick in den Mast” zuordnen und vor dem Rest stehen wir meist ziemlich blöd. Naja, für die ersten 5 Tage war das schon gar nicht so schlecht. Vor allem haben wir das Grundprinzip eines Großseglers verstanden, und das ist ja schon mal ‘ne Menge wert.

So haben wir nun unsere ersten 149 Seemeilen hinter uns gebracht und sind stolz auf diesen ersten Eintrag in unserem Meilenbuch, das, so steht es auf der ersten Seite, als “Nachweis praktischer Erfahrung im Wassersport” gilt.

Claudia & Michael

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