Mit der "Shanty" im südlichen Patagonien und Feuerland

17. März bis 18. April 2007

- Reisebericht von Wolfgang Kirsten-

Samstag, 17. März 2007

Ein Freund hatte mich eingeladen, ihn auf einer Strecke im südlichsten Patagonien und Feuerland zu begleiten. Also flog ich am 17.3.07 über Punta Arenas nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Dort lag die SHANTY, ein 12 m Stahlschiff das meinem Freund Peter gehörte. Peter segelt üblicherweise alleine, nur begleitet von seinem Papagai FLINT. Normalerweise bin ich gut Freund mit FLINT denn wir hatten ihn ja schon wochenlang zur Pflege bei uns im Haus als Peter zu einem Heimatbesuch nach Brasilien flog. Aber an Bord, und vor allem wenn Peter in Sichtweite ist, dann ist FLINT ein richtiges kleines Aas und man kommt tunlichst nicht in die Nähe seines scharfen Schnabels. Aber wir drei, Peter, Flint und ich, kannten uns recht gut und so war ich sicher, dass es eine harmonische Reise werden würde - und so war es dann auch.

Beim Überfliegen der Magellanstraße konnte ich schon sehen, dass ich in einer windigen Ecke gelandet war. Aber das wusste ich schon von meinem letzten Besuch in USHUAIA vor 15 Jahren. Die Stadt hatte sich in diesen Jahren aber unheimlich vergrößert. Es ist ein Touristenzentrum und der Ausgangspunkt für Reisen in die Antarktis geworden. Kreuzfahrtschiffe, Charteryachten und Individualsegler starten von hier zur Reise ins ewige Eis und zu den Pinguinen. So weit südlich wollte ich jetzt doch noch nicht. Erstens war die Saison dazu schon vorbei und zweitens konnte ich ja meine Gaby nicht so lange alleine mit Hof und Tieren lassen.

Also haben wir in Ushuaia die SHANTY mit Lebensmitteln aufgefüllt, u. a. mit 4 Hammelkeulen, die am Geräteträger im Heck aufgehängt wurden und bei den niedrigen Temperaturen drei Wochen lang ohne weitere Kühlung genießbar blieben. Inzwischen blies der Wind mit 30 Knoten, so dass wir Mühe hatten uns auf dem Steg auf den Beinen zu halten.

Für den Abend hatten mich ein Dutzend Segelfreunde, welche auch hier vor Anker lagen, und die ich schon zum Teil über 1 Jahr von der Funke kannte, in ein Restaurant zum Abendessen eingeladen. Sie wollten sich damit für meine Arbeit mit dem “Patagonian-cruisers-net“ bedanken. Fand ich echt nett!

Montag, 19. März 2007

Am 19.3. holte ich morgens noch 4 frische Laib Brot und bei leichtem Wind und Regenschauern legten wir ab. Dummerweise muss man erst knappe 30 Meilen nach Osten segeln um in Puerto Williams in Chile einzuklarieren. Ich wollte aber immer schon mal den „südlichsten Yachtclub der Welt“ sehen und am frühen Nachmittag legten wir dort auch an, auf fast 55° Süd. Dort traf ich wieder auf Seglerfreunde, die ich schon lange am Radio gehört hatte.

Leider war die legendäre Bar auf dem Clubschiff MICALVI geschlossen. Der Barbetreiber, auch mitverantwortlich für den dortigen Nationalpark, hatte den Bürgermeister wegen illegalem Holzeinschlag angezeigt. Daraufhin schloss der Bürgermeister wegen fehlender Schankerlaubnis die Bar und die Segler sitzen seitdem auf dem Trockenen.

Wir kauften einen Kubikmeter Brennholz (hoffentlich legal geschlagen) und stauten ihn in der Bugkammer. Die SHANTY hat nämlich einen ganz normalen Wohnzimmerofen als Wärmespender.

Mittwoch, 21. März 2007

Am 21.3. legten wir frühmorgens bei leichten Ostwinden ab und machten uns auf den Weg Richtung Westen. Und aus dieser Richtung kam dann auch nur kurze Zeit später wieder der Wind, so dass wir gegen Mittag bei 20 Knoten Westwind in Puerto Navarino für die Nacht einen Ankerplatz suchten. Morgens ist der Wind meistens etwas moderater und weht sogar manchmal aus östlichen Richtungen.

Donnerstag, 22. März 2007

So schaffen wir es auch am 22.3. bequem bis zum frühen Nachmittag in die wunderschöne Bucht „La Olla“ (der Topf) im Nordwestarm des Beaglekanals. Die Darwin-Kordillere mit ihren bis knapp 2.500 m hohen Bergen schickt 5 mächtige Gletscher bis runter in die Wasser des Nordwestarms des Beaglekanals. Der erste ist der „Hollandgletscher“ unmittelbar neben dieser Bucht.

Freitag, 23. März 2007

Am 23.3. wehte es im Kanal hart aus West. Wir wanderten ein wenig und beobachteten zwei Kondore, die hoch am blauen Himmel ohne Flügelschlag ihre Kreise zogen. Abends flaute es ab und wir liefen um 18:15 Uhr aus. Schade für mich, weil ich damit die anderen 4 Gletscherzungen nicht sehen konnte. Aber letztlich bin ich ja etwas in Zeitdruck weil Gaby am 26. April nach Deutschland fliegen will und ich schon ein paar Tage vorher zuhause sein muss. 112 Meilen haben wir nach 24 Stunden bei gemixtem Wetter mit Regenschauern und letztlich wieder 25 Knoten auf die Nase zurückgelegt als wir um 18:15 Uhr vor Buganker und 2 Heckleinen festlagen. Das ist eine der berühmtesten (berüchtigsten?) und spektakulärsten Buchten in Feuerland. Hohe Granitfelsen rahmen die runde Bucht ein. Es ist eine Wetterecke hier, nicht wenige meiner Seglerfreunde mussten hier schon tagelang auf Wetterbesserung warten.

Wir hatten mehr Glück, um 10:00 Uhr am nächsten Morgen konnten wir weiter und im Kanal COCKBURN konnten wir bei 15 Kn aus SW sogar die Fock zum Motor setzen. Nachmittags ankerten wir in der Bucht Cluedo. Der SW wehte wieder mit 20-25 Kn und es regnete. Ab jetzt begleitete uns die belgische Yacht „La Flaneuse“. Um 02:00 Uhr holten wir das Beiboot und den Anker rauf. Wir wollten durch den Kanal „Acwalisnan“ fahren, und der hat eine Engstelle die man nur bei Stillwasser passieren kann, sonst ist die Strömung zu stark. Eigentlich ist dieser Kanal von der chilenischen Armada aus für Yachten gesperrt aber er mündet wesentlich weiter östlich in die Magellanstraße als der frei gegebene Kanal „Magdalena“. Damit kürzt man also die harte Bolzerei gegen den üblichen Westwind in der Straße um mindestens 35 Meilen ab. Wir riskieren es also und hoffen, dass die Armada nicht gerade heute in dieser Gegend auf Kontrollfahrt ist. Die Engstelle beim Paso O’Ryan schaffen wir dann gerade noch mit 4-5 Knoten Gegenstrom und um 09:00 Uhr ankerten wir bei strahlend schönem Wetter in der Murray-Bucht.

Nachmittags fing es wieder zu wehen an, das Barometer fiel in 12 Stunden um 13 Strich.

Dienstag, 27. März 2007

Ruhetag, stürmische Winde waren angesagt. Wir sägten einen alten Baum um und ergänzen unseren Brennholzvorrat. Ich versuchte einige kleinere Seen im Hinterland zu erreichen. Das Wandern in dem sumpfigen Gelände ist etwas mühsam. Man läuft wie auf einem voll gesogenen, 50 Zentimeter dicken Schwamm. Aber die Flora mit den Moosen, Flechten und Bonsai-ähnlichen Bäumen ist toll. Leider sind in den moorigen Seen keine Forellen. Zum Glück kommen abends Fischer in die Bucht und tauschen gerne Fisch gegen Wein.

Mittwoch, 28. März 2007

Der Wetterbericht meldete immer noch 25-30 Knoten aus NW. Das Wetter war aber warm und sonnig. Ich stieg auf den höchsten Berg um die Situation in der Magellanstraße sehen zu können - nur Schaumkronen.

Donnerstag, 29. März 2007

Kurz nach 10:00 Uhr liefen wir aus und schon an der Ecke beim Einlaufen in die Magellanstraße drückten uns die ersten „ratchas“ (Böen) hart auf die Steuerbordseite. Mit Motor und dreifach gerefftem Großsegel - unserer Standardgarderobe - stampften wir gegen 25 Knoten Wind und 1 m Seegang an. Bald stampften wir uns aber fest. Mit nur noch 2 Knoten über Grund erreichten wir den nächsten guten Ankerplatz keinesfalls. Wir drehten um und waren um 13:00 Uhr wieder am alten Ankerplatz. Nachmittags und nachts hatten wir harte Böen und Hagelschauer und am nächsten Tag bei gleicher Situation steckten wir unsere Nase auch nicht aus der Bucht raus.

Samstag, 31. März 2007

Kurz vor 10:00 Uhr ging der Anker hoch. Mit dem Brotmesser mussten wir einen Riesenhaufen Kelp von der Kette los schneiden. Das Wetter sah eigentlich gut aus, aber die Wolken zogen immer noch bedenklich schnell. Und „bums“ ließ uns die erste Böe mit 30 Knoten am Ausgang der Bucht wieder das Steuerbordschanzkleid waschen. Trotzdem knüppelten wir weiter gegen West 25-35 und kurze steile See. Um 12:00 brach dann die Halterung des Reserveankers im Bugkorb und es bestand die Gefahr, dass er verloren geht. Ich hatte Ölzeug an und ging nach vorne um den Anker zu sichern. Gut dass mein Ölzeug dicht war, manchmal stand ich bis zum Bauch im Wasser - und die Wassertemperaturen sind hier alles andere als tropisch. Ich bin der Meinung, dass die Magellanstraße endlich mal geteert werden sollte :-) .

„La Flaneuse“ ist fast 5 Meilen vor uns und funkt, dass sie kaum mehr eine Meile über Grund gut machen. Gemeinsam beschlossen wir wieder umzudrehen. Kurz vor 15:00 Uhr waren wir wieder in der Caleta Murray, 20 Meilen waren wir gesegelt, nur zum Deckwaschen.

Sonntag, 1. April 2007

Sternenklarer Himmel und null Wind in der Bucht, als wir um 04:00 Uhr ankerauf gingen. 5 Stunden später in der Magellanstraße immer noch nur 15-18 Kn Wind aus WSW. Die Strömung lief mit uns und um 12:00 Uhr passierten wir den „Paso Ingles“, eine Engstelle, und um 14:00 Uhr waren wir vor Anker in der Caleta Tilly. Traumhaft schönes und warmes Wetter. Wir hatten am Vortag einiges Wasser über den Kettenkasten ins Schiff bekommen weil der Abfluss verstopft war. Wir nutzten die ruhige Bucht mit dem spiegelglatten Wasser um den Abfluss frei zu kriegen. Dabei sah ich zum ersten Mal Krill in Massen um unsere Ankerkette schwimmen. Offensichtlich ist für diese Minikrebse etwas Essbares in dem Sand den wir beim Ausfluss raus wuschen. Von oben sahen die Krebse fast wie kleine Goldfische aus.

Montag, 2. April 2007

Wir wollten um Mitternacht auslaufen. Um 23:00 Uhr fing es aus allen Knopflöchern zu wehen an. 40 Knoten und mehr in Böen und erstaunlicherweise aus allen Himmelsrichtungen. Wir fanden keinen Schlaf mehr, konnten uns aber auf unseren 50 Kilo Bruce-Anker und die 2 Landleinen verlassen. Trotzdem veranlasste mich ein unruhiges Gefühl, um 03:00 Uhr aufzustehen und rauszuschauen. Die „La Flaneuse“ trieb quer auf uns zu. Ich konnte sie alarmieren und sie kam klar. Der Baum an dem deren Landleine fest war war ausgerissen. Eine halbe Stunde später krachten sie dann doch noch in den Heckkorb der SHANTY. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen. Wir halfen mit unserem Zweitanker und 140 m Leine aus und dann hatten wir die „LA FLANEUSE“ wieder sicher vertäut und versuchten noch ein wenig Schlaf zu finden.

Den ganzen Tag über heftige Böen. Jetzt wussten wir auch warum die Bäume hier so extrem schräg stehen, seltsamerweise aber bergaufwärts gerichtet, also entgegen der üblichen Starkwindrichtung.

Dienstag, 3. April 2007

Nachdem auch der Montagnachmittag sehr windig war, fing die Nacht auf Dienstag recht ruhig an. Erst um 03:00 Uhr morgens ging es dann wieder richtig los. Nachmittags rutschte die „La Flaneuse“ wieder vor Anker und wir „häkelten“ sie dann mit 4 Landleinen fest. Der CQR-Anker überzeugte bei diesen Ankergründen nicht so recht. Der Anker muss wohl überschwer sein, damit er schon durch das Eigengewicht durch den Kelp durchgeht.

Mittwoch, 4. April 2007

Endlich hatte der Wind nachgelassen und wir fuhren um 10:30 Uhr aus der Bucht raus und den Paso Tortuoso passierten wir bei null Wind und nur 2 Knoten Gegenstrom. Die Zeitplanung mit der Tide hatte also ganz gut gestimmt, weil wir kurze Zeit später Schiebestrom bekamen und bei leichtem Nordwind sogar die Genua setzen konnten. Zwei Buckelwale passierten uns in 30 m Abstand auf Gegenkurs und das war doch mal eine Abwechslung zu den vielen Mähnenrobben die fast ständig in Schiffsnähe zu sehen waren.

Um 17:00 Uhr ankerten wir in der Caleta Playa Parda. In dieser flachen und gut geschützten Bucht verbrachten wir endlich mal eine friedliche Nacht.

Donnerstag, 5. April 2007

Allzu lange war die Nacht nicht, denn um 05:00 Uhr waren wir schon wieder unterwegs - bei Regen und schlechter Sicht. Ich versuchte gerade ein bisserl Schlaf nachzuholen als mich plötzlich heftige Schiffsbewegungen aus der Koje jagten. Von null auf nix hatte der Wind aus WNW auf 28 Knoten aufgefrischt. Wir bargen das Groß. So ein Mist! In den Regenböen Sturmstärke und null Sicht. Wir drehten um und suchten in Puerto Angosto Schutz. 40 Meilen gesegelt aber nur 13 Meilen weiter in Richtung NW gekommen. Langsam machte ich mir Sorgen, ob ich die Fähre am 14.4. in Puerto Eden noch rechtzeitig erreiche. Mit der muss ich nämlich zurück nach Puerto Montt um noch einige Tage vor Gabys Abflug zuhause zu sein. Eine Alternative wäre, Puerto Natales anzulaufen und von dort mit dem Bus (ca. 36 Std. Fahrt) oder mit dem Flugzeug zurück zu reisen. Puerto Natales wäre aber ein Umweg von gut 100 Meilen für Peter und das wollte ich ihm gerne ersparen.

Karfreitag, 6. April 2007

Puerto Angosto ist durchaus ein spektakulärer Platz, fast kreisrund und von hohen Felsen eingeschlossen. Zwei mächtige Wasserfälle übertönen meistens das Brausen des Windes - und der braust hier auch ganz kräftig. Noch dazu ist die Bucht sehr tief, der Anker lag auf gut 25 Meter. Nach einer unruhigen Nacht mussten wir am Morgen auch feststellen, dass unser Anker geslippt war. Wir lagen schon unangenehm nahe an der Felswand. Glücklicherweise ist es unmittelbar neben der Felswand so tief, dass man dort wie an einer Mole anlegen könnte.

Nach Regen- und Hagelschauern ließ gegen Abend der Wind nach und wir gingen um 18:00 Uhr Ankerauf. Die Magellanstraße war immer noch ruppig.

Samstag, 7. April 2007

Um 02:00 Uhr passierten wir Fairway-Lighthouse und waren damit endlich raus aus der Magellanstraße und wir konnten im Canal Smyth NNW-Kurs laufen. Die elektronischen Seekarten sind nicht sehr genau, die GPS-Position zeigte uns meistens bis zu einer halben Meile auf dem Festland. Das erforderte Nachts unbedingt eine genaue Navigation mit dem Radar.

Gegen 14:00 Uhr erreichten wir den Canal Sarmiento. Am späten Nachmittag fuhren wir durch eine ganz enge Durchfahrt in die schöne Bucht Bernard ein. Eine Kette von 5 kleinen Inselchen sperrt diese Traumbucht gegen die Bahia Moore ab und bietet ausgezeichneten Schutz gegen alle Winde.

Ostersonntag, 8. April 2007

Caleta Bernard. Wettervorhersage NW 30-40 Knoten. Wir sahen die Schaumkronen im Canal Sarmiento. Da wieder Wasser in der vordersten Bilge war, befürchtete Peter ein kleines Leck. Wir legten eine Lenzleitung in diese Bilge, füllten Diesel aus den an Deck mitgeführten Fässern in den Haupttank um und machten Ölwechsel. Michel musste bei der „La Flaneuse“ in den Mast, weil sich die Salinge durch die harten Schläge im Seegang etwas verschoben hatten. Zur Belohnung bekamen wir dann alle von Monique einen Cappuccino mit Schokoladenkuchen. Ist schon toll, wenn man zusammen mit einer Yacht segelt auf der eine perfekte Bordfrau das Regiment über die Küche hat. Wir wurden wirklich sehr oft von den beiden sympathischen Belgiern verwöhnt und es hat sich eine nette Freundschaft entwickelt.

Ostermontag, 9. April 2007

Es ging frühmorgens um 05:00 Uhr weiter. Der Wind wehte nur mit 15 Kn und der Strom schob zeitweise mit. 12 Stunden später und 50 Meilen weiter ankerten wir in Puerto Bueno.

Dienstag, 10. April 2007

Schon um 06:00 Uhr morgens ging es bei Nieselregen weiter. Auf den Bergen lag Neuschnee bis auf ca. 600 m Höhe. Gegen Mittag konnten wir sogar streckenweise die Genua zum gerefften Groß setzen. Aber ohne Motorhilfe ging auf dem Weg nach Norden in den patagonischen Kanälen gar nichts. Die Möglichkeiten Diesel zu bunkern gibt es nur in Abständen von etwa 800 Meilen. Dazwischen gibt es einfach keine Ansiedlung, nur Natur pur. Mähnenrobben, Albatrosse (Black-browed), Kormorane und gelegentlich Pinguine sind die „Bewohner“ dieser Gegend.

Die ALACALUF- oder KAWESKAR-Indianer die in diesem Gebiet mit ihren Kanus auf Fischfang und Robbenjagd waren, sind bis auf eine ganz kleine Restgemeinde die in Puerto Eden lebt, ausgestorben.

Wenig Gegenwind wollten wir ausnutzen und wir beschlossen die Nacht durchzufahren. Kurz vor Mitternacht, bei inzwischen sternenklarem Himmel, rumpelte es immer öfter an unserem Bug. Eisschollen trieben im Kanal! Sie kamen vermutlich aus dem Seno Pinguin und waren Bruchstücke des Gletschers der dort einmündet. Bei der Dunkelheit hatten wir keine Chance, dem Eis auszuweichen. Wir mussten also auf den starken Stahlrumpf der SHANTY vertrauen und darauf, dass keine großen Brocken auf unserem Kurs schwimmen. Nach ein paar Meilen, nördlich vom Seno Pinguin war der Spuk dann auch vorbei.

Mittwoch, 11. April 2007

Eine starke Böe weckte mich um 01:30 Uhr und ich übernahm die nächste Wache. Um 04:00 Uhr passierte ich die engste Stelle im Kanal Wide, der hier nur ein paar hundert Meter breit ist. Nachts, und nur mit einem recht schlechten Radarbild erschien einem das verdammt eng. Um 08:00 Uhr fiel dann unser Anker nach 130 Meilen in 26 Stunden in der Bucht vor dem kleinen Ort Puerto Eden. Hier werde ich am 14. auf die Fähre nach Puerto Montt umsteigen. Diese Fähre wird die restlichen ca. 550 Meilen bis Puerto Montt in rund 40 Stunden zurücklegen.

In Puerto Eden konnten wir nochmals 400 Liter Diesel übernehmen und es gelang mir auch noch einen Kubikmeter Brennholz zu organisieren. Dazu fuhr ein ansässiger Fischer mit Axt und Motorsäge auf eine der kleinen vorgelagerten Inseln, die diesen Naturhafen so gut schützen, und fällte dort einen Baum. Das Holz war natürlich tropfnass, eine Stunde vorher haben ja noch die Vögel auf dem Baum gesessen. Mit einer guten Glut im Ofen bringt man aber auch das zum Brennen.

Samstag, 14. April 2007

Ab 04:00 Uhr saß ich auf meinem gepackten Seesack, denn die Fähre sollte irgendwann zu dieser Stunde von Puerto Natales kommend eintreffen. Der Fischer Juan, der Holzlieferant, will mich mit seinem Boot zur Fähre übersetzen. Pünktlich erschien er auch in der regnerischen, rabenschwarzen Nacht und holte mich ab. Ein kurzer aber herzlicher Abschied von Peter und Flint, wir hatten eine tolle Zeit zusammen.

Die Fähre steuerte gerade langsam den Ankerplatz an und so warteten wir noch mit gut einem halben Dutzend anderer Boote auf die Erlaubnis zum Anlegen. Noch 20 weitere Passagiere sollten zusteigen und dann wurde natürlich jede Menge Material und Lebensmittel, welches in Puerto Natales zugeladen wurde, auf die kleinen Fischerboote umgeladen. Im Gegenzug kamen Säcke mit Muscheln auf die Fähre zum Verkauf in Puerto Montt. Die Versorgung dieser kleinen, weitab von jeder anderen Zivilisation gelegenen, Population hängt zu 100 % von dieser Fährverbindung zwischen Puerto Montt und Puerto Natales ab.

Nach gut 3 Stunden nahm die Fähre wieder Fahrt auf. Mir wurde eine Koje in einer 12-Bett-Kabine zugewiesen. Da kamen auch einige Zusteiger von Puerto Eden mit rein, darunter einer der letzen reinrassigen Alacaluf-Indianer mit seiner Familie. An Bord sind schon von Puerto Natales her ungefähr 100 Passagiere, überwiegend jüngere Touristen aus aller Herren Länder und natürlich die Fahrer der 8 Viehtransporter die auf dem Achterdeck standen.

Pferde, Rinder und Schafe müssen bei Wind, Regen und Geschaukel tagelang auf ihren Beinen stehen. Je nach Wetterlage und Dauer der Fahrt gibt es da auch Verluste. Und dass die Fahrt länger dauern kann als geplant, konnten wir schon bald feststellen. Beim Schwesterschiff der Fährlinie explodierte zum Beispiel der Motor mitten im Golfo de Penas. Peter hatte mir schon freudestrahlend fröhliches Kotzen zum Abschied gewünscht, denn nach Wetterbericht sollte es im Golfo de Penas (Golf der Leiden) mit 40 Knoten blasen.

Der Kapitän der Fähre nutzte die Möglichkeit über Funk beim Leuchtturm im Golf nach der aktuellen Situation zu fragen. 60 Knoten und in Böen bis zu 100 Kn (185 km/h) wurden gemeldet. Das ist auch für die große Fähre und vor allem für die Passagiere zu viel. Der Kapitän suchte einen Ankerplatz in einem gut geschützten Seitenarm. Ein uriger Platz, himmelhohe Felswände steigen unmittelbar neben dem Schiff auf und alle paar Meter donnert ein Wasserfall runter. 48 Stunden mussten wir hier warten bis es wieder weiterging!

Ich bat den freundlichen Kapitän ob ich das SSB-Funkgerät benutzen kann um Gaby eine Nachricht zu übermitteln. Weil das Gerät aber mit unserer Netzfrequenz nicht arbeiten kann, stellte er mir sein Satellitentelefon zur Verfügung. So konnte ich Gaby wenigstens beruhigen und ihr sagen, dass ich mit mindestens 48 Stunden Verspätung heim komme. Die Küche an Bord war wenigstens gut, ausreichend Lebensmittel schienen auch vorhanden zu sein und für Unterhaltung war mit diversen Spiel- und Dokumentarfilmen gesorgt.

Relativ viele deutsche Touristen waren an Bord und zu manchen entwickelte sich ein netter Kontakt. Ich war froh, dass ich mit meinen überaus disziplinierten Indianern die Kabine teilte (mit Kleinkindern!). Wenn ich Pech gehabt hätte wäre ich vielleicht bei den recht lauten Amerikanern gelandet. Als wir nach den beiden Tagen dann in den Golf raus gefahren sind hatte der Wind auf ca. 25 Kn nachgelassen, aber die Fähre rollte noch mächtig in dem immer noch 3-4 m hohen Seegang.

An der nördlichen Huk des Golfes steigt der Meeresboden auf einer ganz kurzen Distanz von 3.500 m auf 200 m an. Das ist die Ursache für den schlechten Ruf des Golfes, denn dieser steile Anstieg lässt hier eine sehr gefährliche See entstehen. Ohne sich festzuhalten oder abzustützen konnte man sich auf dem Schiff nicht mehr bewegen. Rasmus forderte seine ersten Opfer und beim Essen blieben auffallend viele Plätze leer. Auch die nette Park-Rangerin, die immer für das Unterhaltungsprogramm sorgte, blieb für 24 Stunden unsichtbar. Es gibt zwar viele Erdbeben in Chile aber ein Nationalpark ist immer noch stabiler als das Deck einer Fähre.

Aber nach 120 Meilen liefen wir wieder in die geschützten Kanäle ein und der Rest der Reise bis Puerto Montt verlief angenehm ruhig. Da wir am Dienstag den 17.4. erst um Mitternacht in den Hafen einlaufen sollten, konnten die Passagiere noch bis zum nächsten Tag um 10:00 Uhr an Bord bleiben.

Nur am Rande noch eine kleine Begebenheit. Wir mussten im Hafen dann mit einem kleinen Schlepper ausgebootet werden weil beim Beladen noch ein Lastwagen halb von der Rampe gekippt war.

Nach 6 Stunden Busfahrt von Puerto Montt nach Villarrica war ich dann wieder glücklich zu Hause.

- Ende des Reiseberichts -

 

Anm.: Wolfgang Kirsten wohnt seit vielen Jahren mit seiner Frau Gaby in Chile. Nachdem er 1986 in Deutschland alles verkauft hat, ist er mit seiner selbst ausgebauten "Wilden Mathilde" (baugleich mit der berühmten "Joshua" von Bernard Moitessier) 10 Jahre über die Weltmeere gesegelt um dann in Villaracia im Süden Chiles für immer an Land zu gehen und sich der Schaf- und Lamazucht zu widmen. Für Trans Ocean betreibt er für den südamerikanischen Bereich ein Funknetz.

 

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