In einer Woche mit der "Thor Heyerdahl" von Kiel nach Skagen (Dänemark) im Mai 2001

Reisebericht von Ingeborg Hegner



© "Segelschiff Thor Heyerdahl e. V." http://www.thor-heyerdahl.de


Sie lag am Bahnhofskai von Kiel, die Thor Heyerdahl, ein paar Schritte vom Bahnsteig entfernt. Der schöne Dreimast-Toppsegelschoner von fast 50 m LÜA, mit einer Segelfläche von 830 qm, imponiert mit einem genieteten Eisenrumpf und starken Holzmasten. Ausgelegt für 32 Gäste verfügt sie über 10, mit bis zu vier Kojen ausgestatteten Kabinen mit geräumigen Schränken. Sie gehört dem eingetragenen gleichnamigen Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, insbesondere jungen Menschen das soziale Leben in einer Gruppe näher zubringen. Jedes Jahr unternehmen Schüler und Lehrer eine sechsmonatige Winterreise von Kiel in die Karibik, neben den kürzeren Sommertörns in der Ostsee. Wer möchte kann Stammbesatzung werden und muss sich zu diesem Zweck in der Werft qualifizieren. Die Ausrüstung des Schiffes ist für längere Fahrten ausgelegt. Besonders großzügig ist die Ausstattung der Last mit Brotkühlschrank und begehbarem Kühl- und Gefrierschrank und weiteren Regalen für andere Vorräte. Vom schwarzen Pfeffer bis zum Puddingpulver, war alles an Bord. Ich ließ mich gerne in die Backschaft einteilen, denn es machte richtig Spaß in einer gut gerüsteten Kombüse für 37 Leute zu kochen.

Die Reise war ursprünglich als Mitgliederreise geplant, doch eine Planänderung ermöglichte die Teilnahme an diesem Ausbildungstörn. Wir wurden in 3 Wachen eingeteilt im 4-Stunden-Turnus. Neben kleineren Segelmanövern, Übungen in Navigation, an der Rettungsinsel, Wetterkunde, Rudergang, Ausguck, waren wir auch an Keramik, Niedergängen und Messe, Deck und Messing verpflichtet. So kam keine Langweile auf, denn ständig waren neue Positionen zu besetzen. Von Kiel gings durch die Eckernförderer Bucht, vorbei an Damp, Langeland, Marstal, Kerteminde. Wir ankerten oft vor der Küste und waren in der Nacht auch zu Ankerwachen eingeteilt. Ich fand meine Schicht von 24 Uhr bis 4 Uhr besonders ermüdend, obwohl wir mit Peilung, Wetter und Kontrollgängen reichlich beschäftigt waren und uns durch Kaffee wach hielten.

Vor Ebeltoft wurden wir mit dem Dingi an Land gebracht. Hier statteten wir dem Museumsschiff Jülland einen informativen Besuch ab und nutzten die Gelegenheit ein paar Einkäufe zu tätigen. Einige Pfund der dicken Lakritzstangen wanderten so an Bord. Das Wetter zeigte sich frühlingshaft, mal sonnig mal regnerisch, meist nicht über 20 Grad. Auch der Wind war wechselnd und kam oft aus der "falschen" Richtung. Unsere Gruppe verfügte über die unterschiedlichsten Voraussetzungen. Alte Hasen und Neulinge arbeiteten Hand in Hand, so dass wir uns am vorletzten Abend zutrauten, das Schiff sozusagen in eigener Regie zu führen. Eine Kapitänin "outete" sich und war schnell nominiert. Die Wachführer, die Erfahrensten unter uns, wurden von der Stammbesatzung unterstützt.

Da es jetzt ernst wurde, wollte ich bis Mitternacht noch etwas schlafen, wurde aber durch heftige Schiffsbewegungen frühzeitig geweckt. Der Wind hatte aufgefrischt und als ich zur Wachablösung kam, hatten wir bereits eine Stärke von 6-7. Die abziehende Wache hatte schon die Fangnetze an Lee befestigt und Halteseile gespannt. Arbeiten an Deck war nur noch mit Schwimmweste erlaubt. Bei etwa 10 Grad trug ich all die warmen Sachen, die ich eingepackt hatte: Lange Unterhosen, Handschuhe und Wollmütze kamen endlich zur Geltung. Die Tätigkeiten, die wir erlernt hatten, wurden uns nun unter Härtebedingungen abverlangt. Das Ruder gab sich schwerfällig und bockig, das Schiff wie ein Ackergaul, der unbeirrt seinen Weg ging. Die Kompassnadel entwickelte ein Eigenleben und war durch Wasser und Bewegung oft schlecht zu erkennen. Plus/Minus 20 Grad waren da keine Seltenheit. Der Wind stand schlecht, das gereffte Segel wurde dichtgeholt, damit wir nicht abtrieben. Selbst kleine Manöver, waren unter diesen Bedingungen echt mühsam und erschienen gefährlich. Arbeiten unter Deck waren brechreizend und so hielt ich mich lieber oben auf.

Unser 400-PS-Dieselmotor stampfte durch die Nacht. Die nächste Wache kämpfte mit eisigem zunehmenden Wind, als wir erschöpft in unsere Kojen fielen. Für die Backschaft war am Morgen nicht so viel zu tun, denn viele Mitreisende blieben in den Kojen und verzichteten freiwillig auf das Frühstück. Dafür bereiteten wir später eine würzig scharfe Tomatensuppe, die gerne angenommen wurde. Am Nachmittag steuerten wir den Hafen von Skagen an. Hier lagen wir nach dieser stürmischen Nacht ruhig im Hafen und die Zubereitung des Captains Dinners, gelang ohne Mühe. Nur einige Küchengeräte und Requisiten fehlten uns, sie waren wie vom Erdboden verschwunden, fanden sich aber später beim Putzen unter den Küchenschränken wieder. Zum Dinner bereiteten wir Lammbraten, grüne Bohnen, Backkartoffeln aus dem Ofen und für unsere Vegetarier mit Feta gefüllte Auberginen und gemischten Salat. Eine Eis-Pudding-Variation rundete das Essen ab. Unser Kapitän überraschte uns noch mit Sekt, den wir auf sein Wohl und das der Stammbesatzung fröhlich leerten. Am Abend wurde es bald ruhig an Bord. Die Sängerreihen lichteten sich schnell, bis schließlich auch der letzte Musikant zu Bett ging. Ich hatte auf meinen bisherigen Reisen nie mehr als Windstärke 5 erlebt und fragte mich bang, wie seetüchtig ich wohl sei. Diesmal durfte ich es erfahren. Es war eine aufregende Reise. Ich spiele jetzt schon mit dem Gedanken auf der Thor durch die Karibik zu segeln.


Kontakt: Thor Heyerdahl
Tel.: 0431-677757, Fax - 678367
http: http://www.thor-heyerdahl.de


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